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Inspirajournal

  • Autorenbild: Malte
    Malte
  • 10. Nov. 2020
  • 13 Min. Lesezeit















Widmung

Du bist zeitlos.

Vergangenheit auf Fotos.

Jetzt liegen wir uns in den Armen.

Und bald werden wir wissen wer wir mal waren.







Für Maren, die mich immer wieder auf neuen Wegen inspiriert.










Malte Smits, 2020


Frühling

Manchmal wirkt es so, als würden die ersten Knospen die letzte Schneedecke brechen.

Die Blüten schaufeln die Eiskristalle beiseite auf dem Weg hinauf zu den Sonnenstrahlen.

Mich stillen Beobachter auf Reisen bringen diese kurzen Momentaufnahmen zum Lächeln.

Es ist als würde die Natur sich das wieder nehmen, was Herbst und Winter ihr stahlen.

Sie kehrt zurück in leuchtenden Farben.

Sie erinnert uns an das schöne Leben.

Ohne es zu wissen war ich lange am warten,

Um auf diese Einladung zu ihr zurückzukehren.

Unplug

Spürst du den Stress und Staub und Dreck im Asphalt?

Den Druck des Betons, unglaublich brutal ohne Gewalt. Die Straßen leuchten eher grün von Ampeln als Bäumen.

Und dass der Himmel blau wäre das musst du erträumen.

Hier gibt es alles. Noch mehr. Das kannst du nicht leugnen.

Alles hat einen Preis. Für diesen musst du dich beugen. Was hier fehlt ist die Fähigkeit nicht zu sein was es ist. Gewiss kannst du alles, doch Nichts kannst du nicht.

Ausschalten. Herunterfahren. Lass die Kabel fallen. Unplug.

Du bist für viele eine Chance, doch auch der Wahn. Drug.

Symmetrische Mauern, rechte Winkel leiten den Weg.

Führen mich, meine Gedanken und sagen mir wie ich leb.

Reiß den Anschluss aus deinem Rücken und lass ihn hier.

Renne und renne weiter hinein bis selbst ich dich verlier.

Hier bist du wohl geborgen, hast dich gelöst von deinen Sorgen.

Sag alles in deinen Worten. Denk was wäre sonst schon verstorben.

Atme ein.

Atme aus. Ich lasse dich sein. Hier ist das „Raus“.

Ist es nicht witzig, dass wir es als so natürlich empfinden?

Als wäre es nicht in meinem Namen schon zu erkennen.

Ja, du hast Pflichten an dem Ort, von dem du kamst. Und du darfst ihn vermissen, aber jetzt sei umarmt.

Wir sehen uns bald und denk auch an mich.

Ich will hier warten, hier draußen im Nichts.

Sommer

In der Mitte vom Himmel schwebt ein großer leuchtender Kreis.

Der scheint gelb, mal rot oder orange und manchmal auch weiß.

Und er sendet seine Strahlen hinaus, voll Licht und voll Wärme.

Irgendwie mag ich diesen Kreis, mit Bedacht und aus der Ferne.

Er bleibt an Tagen bis zum Anbruch der Nacht.

Vielleicht will er bleiben, weil er uns alle bewacht?

Es wird bald spät, bestimmt schon halb zehn.

Doch der Kreis scheint noch immer, er will noch nicht gehen.

Sommereuphorie

Rebecca

Ich kann kaum glauben, dass es schon halb neun ist und die Sonne immer noch so scheint.


Alain

Die Sommersonnenwende war glaube ich letzte Woche, oder? Wie auch immer - lass uns den gemütlichen Abend genießen. Prost.

[Die beiden stoßen mit einem lauten Klirren ihre Bierflaschen an]


Rebecca

Prost. Auf den Sommer. Auf uns.


Alain

Auf den Sommer, genau. Sehnst du dich auch jedes Jahr danach, endlich lange Abende draußen zu verbringen? Endlich in Seen springen, Fahrradtouren machen, im Garten grillen und Spaß haben?

Immer wenn ich nach Erinnerungen von großer Freude und Freiheit in meinem Leben suche, dann finde ich ganz viele Momentaufnahmen aus den Sommern meines Lebens. Aus den Wintern ist mir nicht sonderlich viel Schönes hängengeblieben, vor allem nicht von den chaotischen Weihnachtsabenden daheim bei meinen Eltern.

Rebecca

Hm, da ist was dran. Wo du es so sagst fallen mir als erstes auch viele Sommerurlaube ein. Oder damals als ich meinen ersten Kuss bekam.

Das war nach einem warmen Abend im Freiluftkino. Der Film war grottig schlecht und langweilig und der Kuss auch. Aber trotzdem habe ich immer noch glasklar den Blick auf den rotorangen Horizont im Kopf und die warme Luft die um uns Turteltäubchen knisterte, bis er dann seine Zunge reinschob. Bah.

[Rebecca schüttelt sich und lacht]


Alain

Der Begriff Winterdepression wird ja nicht umsonst herumgeworfen. Von einer Sommerdepression habe ich im Gegenzug noch nie gehört. Wahrscheinlich gibt es eher ein Gegenstück dazu. Wie wäre es denn mit der Sommereuphorie?

Rebecca

Das gefällt mir. Die holt mich jedes Jahr aufs Neue. Die Depression leider auch.


Alain

Meinst du das liegt nur an dem Licht? Also dass die Sonne länger scheint?


Rebecca

Ich glaube schon. Ohne die Sonne fehlt dem Körper ja schon irgendwas und eben auch das Licht, die Helligkeit. Im Dunkeln aufwachen, arbeiten gehen und wenn es wieder düster wird den Heimweg antreten. Da fehlt einem doch was.

Visuelle Stimulation, Inspiration, einfach Dinge vor dem Auge.

Im Dezember schaust du raus und es ist schwarz, grau und nicht viel mehr. Du läufst die Straßen lang und siehst ein paar leuchtende Schaufenster und Ampeln, aber keine Gesichter. Menschen versteckt hinter Wollmützen, Schals und Daunenjacken. Da muss einem doch was fehlen!

Alain

Das überzieht schon kalt meinen Rücken, wie du das so erzählst. Zum Glück haben wir noch ein paar Monate bis dahin. Du hast schon Recht. Im Sommer hat man dagegen den ganzen Tag etwas zu erleben. Der Körper fühlt sich wacher, weil es von vor dem Aufwachen bis spät in den Abend hell ist. Und wenn man durch die gleichen Straßen geht über die du philosophiert hast, dann sieht man die Menschen in all ihren Facetten, die leuchtend grün blühenden Bäume und mehr als nur Schaufenster. Man sieht die Fassaden, die Graffitis, den schönen Schmutz von Berlin und all die kleinen Details. Mehr! Man sieht einfach mehr! Und das liebt unser Kopf doch, oder nicht?

Rebecca

Ja! Mehr, immer mehr! Schau dir die Leute da hinten an. Die spielen Frisbee und haben sich was auf den Grill geschmissen. Auch wenn ich sie nicht kenne habe ich Glücksgefühle beim Zusehen.

[Rebecca zeigt auf eine Gruppe von BWL Studenten]


Alain

Ich glaube das sind BWL Studenten.


Rebecca

Was? Warum?


Alain

Nur so eine Ahnung. Außerdem tragen die alle bis zum Hals zugeknöpfte Hemden.


Rebecca

Ist was dran. Jedenfalls - was ich sagen wollte: Eben genau so etwas trägt zu diesem Sommergefühl bei. Ausgelassen sein, indem man anderen Leuten zuschaut beim ausgelassen sein. Das fügt sich alles zusammen und überträgt sich hin zu der großen und ganzen Harmonie. Harmonie ist doch so ein passendes Wort für den Sommervibe. Stell dir vor die Harmonie ist eine Linie. Im Sommer ist die dann ganz gerade, schlägt seichte Wellen oder bildet ganz runde Kreise. Im Winter aber ist es unruhig in uns. In der Dunkelheit fühlen wir uns mal wohl auf dem Sofa und mal alleine und unwohl draußen zwischen fremden Menschen. Da reißt es die Linie um zackige Kanten, ein wildes Krikelkrakel.

Alain

Wie kommst du jetzt darauf?


Rebecca

Was? Das mit der Linie und der Harmonie?


Alain

Ja.


Rebecca

Das habe ich mal in einer Bar überhört und seitdem nicht vergessen. Ich finde, dass das ein echt schönes und passendes Sinnbild ist für unsere innere Zerrissenheit und Ruhe, die sich immer abwechselnd durch unser Leben zieht. Wie eine Linie eben.


Alain

Ist was dran. Aber gerade ist die Linie ganz gerade. Noch ein Bier?

[Rebecca nickt. Alain holt zwei weitere Flaschen aus seinem Jutebeutel und öffnet sie mit seinem Haustürschlüssel.]


Rebecca

Merci.


Alain

Mir kam gerade ein Gedanke. Ist nicht alles, was man im Winter macht im Sommer einfach besser? Im Winter auf dem Sofa liegen und lesen ist gemütlich, aber stattdessen in der Sonne mit einem Bier auf dem Balkon zu sitzen gefällt mir mehr. Im Winter durch einen verschneiten Wald laufen ist romantisch, wobei man im Sommer auch noch Picknicken kann, weil der Boden da nicht kalt, matschig und nass ist.

Rebecca

Ja schon, aber Schlittenfahren kann man im Sommer nicht.


Alain

Erstens gibt es Sommerrodelbahnen und zweitens fährst vor allem du im Winter nicht Schlitten, oder verheimlichst du etwas vor mir?


Rebecca

He, unterstell mir nichts! Einen Schlitten habe ich!


Alain

Verstaubt bei dir im Keller?


Rebecca

Nein, im Keller meiner Eltern. Aber jetzt mach mir nicht die letzte Illusion kaputt, dass der Winter doch noch was zu bieten hat was der Sommer nicht kann. Das ist doch unmöglich. Okay, im Winter ist die Zweisamkeit schöner. Die Wärme einer anderen Person. Die Wärme von Kakao und Tee. Die frisch gebackenen Kekse schmecken besser, wenn es draußen kalt und nass ist. Das fühlt sich im Winter alles viel gemütlicher an, eben weil es diesen Gegensatz gibt. Im Sommer schlürfst du deinen frischen Kaffee am Morgen und kannst den gar nicht so schätzen, weil sowieso alles warm und schön und frisch ist.

Alain

Du meinst also der einzige Vorteil, den der Winter gegenüber dem Sommer hat ist, dass er kacke ist und du die guten Dinge mehr wertschätzt?


Rebecca

Ja.


Alain

Und dass wir im Winter die kuschelwarmen Menschen um uns lieber haben, weil sie uns von der kalten, bösen Welt da draußen ablenken?


Rebecca

Ich habe das Gefühl, dass du dich über meine Idee lustig machst, aber ja.


Alain

Niemals!


Rebecca

Und im Sommer schätzen wir Zweisamkeit weniger, weil man im Park sowieso alle Freunde trifft und gemeinsam den Tag verbringt, ein wenig trinkt, redet, isst, durch die Stadt zieht und diese Momente mit so vielen Menschen wie möglich teilen will. Und nicht nur mit einem Idioten wie dir.


Alain

Ich habe dich auch lieb. Auf den Sommer.

[Die Sonne geht langsam unter und färbt den Himmel in vielen bunten Farben. Noch einmal stoßen Rebecca und Alain an.]


Herbst

Fallen

Darum geht’s

Wie die Blätter

Sinke tief in dich

Fall, wie das englische Wort

Lass den Wind dich nun leiten

Deine Gedanken schweifen und du verfolgst sie

Durch das dichte Geäst zum Ende der Zeiten

Der zweite Eindruck

Es waren einmal eine Prinzessin und ein Prinz, die lebten schon ihr Leben lang in dem prächtigen Schloss ihrer Eltern, der Königin und dem König. Dort wurde für alles gesorgt.

Sie bekamen jeden Tag von den besten Köchen des Königreiches das Essen im Speisesaal serviert, dass einem jeden das Wasser im Munde zusammenlief. In dem riesigen Schlossgarten gab es Wiesen zum Spielen und Gauklerinnen, Zauberkünstler und Tänzer unterhielten sie. In den Ställen warteten duzende Pferde und Hofkatzen darauf gestreichelt zu werden und leckten den beiden bei jedem Besuch freudig durch das Gesicht. Und sowie der Mond nächtlich an den Himmel zog, gingen die beiden in ihr eigenes Gemach und schlummerten in einem samtweichen Himmelbett, bis dass die Sonne wieder am Horizont erschien. So lebten sie tagein, tagaus ein Leben ohne Probleme, ohne Sorgen.

Zu einem Festtag schenkten ihre Eltern ihnen eine Reise in die Stadt. Und nicht irgendeine Stadt, nein. Die prächtige Stadt Monavind, die dank den großzügigen Spenden ihrer Eltern über die letzten Jahre geputzt, gepflegt und ausgebaut wurde, dass sie nur so glänzte. Da die Königin zu dem Rat der Königreiche berufen wurde und der König mit der Planung der neuen Gärten beschäftigt war, mussten die beiden Kinder ohne ihre Eltern diese große Reise antreten. Natürlich wurden sie nicht ganz alleine aus dem Schloss gelassen. Es geleiteten sie eine Kutscherin, zwei Wachen und eine der zahlreichen Hofkatzen, die ihnen hinterhergelaufen kam als die Kutschpferde angespannt wurden.

Und so kamen sie mit ihrer Kutsche in der Stadt an und schon bildete sich eine Menschentraube um sie. Großer Jubel, Blumen und Beifall empfingen sie auf den Straßen. Zuerst besuchten sie eine Bäckerei in der die Bäckermeisterin und ihre Gehilfen ihnen frische und herrlich duftende Brote mit goldenen Krusten schenkten.

Vor der Bäckerei standen einige Menschen, die auch um Brot baten, doch die Wachen stießen sie beiseite. „Wer war das? Was wollten sie?“, fragte die Prinzessin. „Das waren Bettler. Sie machen nichts außer ihre Klauen nach unserem Gold und Essen zu wetzen.“, antwortete eine Wache. „Oh.“, sagte die Prinzessin.

Am Mittag besuchten sie den neuen Stadtbrunnen, der durch die großzügigen Spenden des Königspaares errichtet wurde. Dort spielten Kinder im Wasser, ihre Eltern genossen die Sonne und aßen Früchte. Einige Menschen gingen herum und erzählen Geschichten, doch die Wachen führten sie ruppig von dem Brunnenplatz. „Wer war das? Was wollten sie?“, fragte der Prinz. „Das waren Verrückte. Sie machen nichts außer vor sich hin brabbeln und die Bürgerinnen belästigen.“, antwortete eine Wache. „Oh.“, sagte der Prinz.

Am Abend waren die Kinder ganz müde und sie trotteten durch die dunklen Straßen. Da schlugen die Wachen vor ein Gasthaus aufzusuchen, in dem sie warm zu Abend essen und die Nacht verbringen könnten. Da stieß eine Gruppe alter Damen zu ihnen und machte ihnen das Angebot auf einen Rastplatz oder mindestens einen warmen Tee bei ihnen. Und für die Katze und die Pferde sei auch genug Fleisch und Gemüse da. Doch die Wachen prügelten sie mit Ästen und riefen ihnen bei ihrer Flucht noch schlimme Schimpfworte in den Rücken.

„Wer war das? Was wollten sie?“, fragten die Prinzessin und der Prinz gleichzeitig. „Das waren Hexen. Sie wollen euch zum Bösen verführen und euch in Kröten verwandeln, also hütet euch.“, antwortete die Wachen. „Oh.“, sagten die Prinzessin und der Prinz.

Und so schliefen sie in dieser Nacht in einem Gasthaus und machten sich am nächsten Morgen wieder auf die Reise nach Hause in das Schloss.

Drei Jahre, drei Monate, drei Wochen und drei Tage später begab es sich, dass die Kinder an einem Fluss spielten und schon seit drei Stunden ein Floß bauten. Stolz betrachteten sie ihr vollbrachtes Werk und ließen es langsam in das Wasser um zur anderen Seite zu treiben, wo sie schon die leckeren Äpfel des Schlossgartens erwarteten. Doch plötzlich zog ein teuflisch starker Wind auf, riesige Wellen tobten und das Wasser zog das Floß entlang seines Laufes. Die Prinzessin und der Prinz krallten sich so sehr fest wie sie konnten. Mit einer Hand an dem Holz und mit der anderen hielten sie sich gegenseitig.

Nach dreihundertdreiunddreißig Minuten und dreiunddreißig Sekunden ließ der reißende Fluss sie an einem kleinen Steg stranden. Ihr Floß lag in Trümmern und sie waren ganz arg erschöpft. Sie kletterten mit letzten Kräften an Land und erkannten einige Gebäude von Monavind wieder. Aber wie sollten sie jetzt zurück zum Schloss gelangen? Den Weg kannten sie nicht und die Führung der Wachen hatten sie auch nicht.

Es zog sie orientierungslos durch die Straßen, bis sie an einer Straßenecke von einer kleinen, schmächtigen Person angesprochen wurden: „Ach herrje, wie sehr ihr denn aus? Na wenn ihr nicht einen Kanten Brot vertragen könnt!“. Die dünnen Arme der Person kramten in einem Flickbeutel und holten zwei Ecken Brot heraus und hielten sie den Kindern hin, die ohne einen zweiten Gedanken zugriffen und hineinbissen. Und sie schmeckten besser als alles, was die besten Köche der Welt jemals für sie gekocht hatten. „Wer seid ihr, dass ihr so gutes Essen habt?“, fragten die Prinzessin und der Prinz. „Ach, ein niemand. Ich bettle jeden Tag auf der Straße um ein paar Groschen.“. Die Kinder bedankten sich überschwänglich und versprachen diese gute Tat niemals zu vergessen.

Gesättigt schlenderten sie durch die Stadt und vermissten ihre Eltern sehr. Wie sollten sie denn jetzt nach Hause kommen? Niedergeschlagen setzten sie sich an den großen Brunnen und seufzten. Da kam eine bunt gekleidete Person zu ihnen und setzte sich dazu: „Ach du meine Güte, ihr seht ja entmutigt aus. Kann ich euch eine Geschichte erzählen um euch aufzuheitern?“. Und ohne eine Pause für eine Antwort zu lassen kamen Geschichten aus dem Mund dieser bunten Person. Die eine handelte davon, wie ein Mann mit seiner Leiter zu den Wolken hinaufgestiegen ist, um dort einen Schatz zu verstecken. Die nächste erzählte von einer Frau, die nicht aufhören konnte zu schreiben und bald jede Oberfläche des Dorfes mit ihren Gedichten und Geschichten bedeckt war. Die letzte Geschichte verfolgte eine Gruppe an Kindern in eine dunkle Höhle. Sie gingen tiefer und tiefer, bis sie irgendwann in der Mitte der Erde ankamen und dort den Erdkern stahlen. „Wer seid ihr, dass ihr so schöne Geschichten habt?“, fragten die Prinzessin und der Prinz. „Ach ein niemand. Ich habe all diese Geschichten auf meinen Reisen gesammelt, aber es ist so schwer gute Zuhörer wie euch zu finden. Oft werde ich verrückt genannt und ausgelacht.“.

Die Kinder lachten mit der Person und bedankten sich mit einem breiten Lächeln und dem Versprechen diese gute Tat niemals zu vergessen.

Die Sonne ging bald unter und es hatte sich immer noch kein Weg zurück in das Schloss gefunden, also schauten sich die Prinzessin und der Prinz nach einem Platz für die Nacht um. Vielleicht eine Parkbank, ein sanfter Fleck Erde unter einem Baum oder ein Heuhaufen. Langsam fanden sie sich damit ab und ließen sich in einer stillen Ecke nieder und breiteten ihre Mäntel als Schlafplatz unter sich aus. Da kam eine Person in langem, dunklem Gewand vorbei und sprach sie an: „Ach du grüne Neune. Ihr könnt doch nicht bei dieser Kälte draußen schlafen wollen und dazu noch eure schönen Mäntel verschmutzen! Kommt mit, ich will euch ein wenig Wärme und ein Bett geben.“. Von dem Angebot angelockt folgten die beiden der Person in ein verwinkeltes Haus mit kleinem Garten. Darin sahen sie im Kerzenschein bei Kräutertee das faltige, aber unglaublich barmherzige Gesicht der Person. „Wer seid ihr, dass ihr euer Heim mit uns Fremden teilen wollt?“, fragten die Prinzessin und der Prinz. „Ach, ein niemand. Ich liebe diese Stadt und alle Menschen die darin wohnen und möchte nur das Beste für sie. Nur wissen sie manchmal nicht ganz das anzunehmen und nennen mich eine dreckige Hexe, wenn ich ihnen Salben für ihre Wunden oder kleine Zaubertränke für ihren Liebeskummer anbiete.“. Die Kinder bewunderten die Person für ihre Selbstlosigkeit und bedankten sich artig für den Schlafplatz und auf dass sie diese gute Tat niemals vergessen werden.

Am nächsten Morgen war die ganze Stadt voller Wachen der Königsgarde, die fanatisch nach den beiden Kindern suchten, nachdem sie am vorigen Abend nicht im Speisesaal erschienen sind und auch sonst nirgendwo im Schloss auffindbar waren.

Als er die Situation fasste rief der Prinz so laut er konnte und machte die Wachen auf sich aufmerksam. Die stürmten sofort an, schlossen die Kinder in die Arme und fragten, wer sie denn hierhin entführt habe und wie sie den Gefahren der Straße entkommen seien. Auf dem Heimweg erzählten die Kinder abwechselnd die ganze Geschichte und erzählen sie dann gleich nochmal ihren erleichterten Eltern bei ihrer Ankunft im Schloss. Voller Freude über die heile Rückkehr ihrer Kinder versprachen die Eltern ihnen, dass sie alles tun würden, um Dank zu erweisen, wo er nötig war.

So gab es alsbald in Monavind gemeinnützige Buffets für bedürftige Menschen. Die Geschichtenerzähler bekamen Aufträge in allen möglichen Städten für die Unterhaltung von Kindern und diktierten ihre Sagen den fleißigen Schreiberlingen in den Bibliotheken. Und mit preisenden Worten beschmückte das Königspaar bei Reden immer wieder die Leistung von Hexen und ihren Salben und Tränken, sodass „Hexe“ nicht mehr als Schmähwort, sondern als Bezeichnung für eine besondere und einzigartige Gabe benutzt wurde.

Winter

Alles gefroren, so klamm und so kalt. Bis in die Knochen fühlst du dich alt. Nichts regt sich, du schleichst dich nur Zwischen Sofa und Bett durch den Flur. Ach, wie schlimm kann das alles nur sein? Wenn du nicht willst bist du nicht allein. Lass ziehen, liegen, ruhen, verweilen. Alles bei Zeiten, warum denn auch eilen?

Der Heimweg

Wir beobachten zwei grundverschiedene Menschen in jener kühlen Nacht.

Sie beide befinden sich auf ihrem Weg nach Hause und sehnen sich nach dem warmen Bett.

Nun versteh mich nicht falsch. Diese Menschen kennen sich nicht. Bisher sind sie sich auch nicht begegnet. Weder in einer der vielen Einkaufsstraßen dieser Stadt noch an einer Haltestelle oder in einer Bar. Es trennen sie nur drei Jahre im Alter und in genau diesem Augenblick fünfundzwanzig Meter.

Bevor wir uns in diese Begebenheiten der folgenden Stunde stürzen möchte ich der Situation noch einen Rahmen geben. Wir befinden uns an einer kleinen, leeren Straße am Rande einer Großstadt. Welche, das ist egal. Sie ist groß, voll, laut, stinkt und die Menschen feiern sie.

Unsere zwei Protagonisten haben gerade unabhängig voneinander auf das Schild an der Bushaltestelle geschaut und geseufzt.

Ihr Bus nach Hause fährt in dieser Nacht nicht mehr.

Sein Heimweg ist nicht sonderlich weit. Er muss nicht unbedingt fahren.

Sie überlegt ob sie sich ein Taxi ruft.

Er krault seinen Bauch und denk darüber nach, wo er jetzt noch etwas zu Essen bekommt.

In ihrer Tasche findet sie nicht mehr als fünf Euro.

Seine Augen schauen sich nach einer Dönerbude um.

Sie findet sich mit dem Gedanken ab, dass sie wohl den ganzen Weg laufen muss.

Er beschließt zu der nächsten Hauptstraße zu gehen und dort zu schauen. So machen sie sich beide auf den Weg, immer noch ungefähr fünfundzwanzig Meter voneinander entfernt.

Ihr wisst ja noch gar nicht wie sie aussehen.

Es tut auch nicht viel zur Sache.

Aber wisst, dass er groß und breit gebaut ist.

Sie ist klein und zierlich in ihrer Form.

Er trägt einen langen schwarzen Mantel, einen Schal und eine Mütze tief im Gesicht.

Ihre Jacke ist rot, ihr langer Rock flattert über ihrer Strumpfhose im Wind.

Ihm ist kalt.

Sie will nach Hause.

Er läuft hinter ihr.

Sie hört seine Schritte.

Er denkt an Falafel.

Sie schaut sich um.

Er ist nur eine düstere Gestalt.

Sie ist es für ihn auch.

Die beiden überqueren eine Straße.

Beide biegen bei der nächsten Kreuzung nach rechts ab.

Er schaut sich nach Essen um.

Sie schaut sich nach ihm um.

Er sieht, wie sie sich umschaut.

Ihre Schritte werden schneller.

In seinem Kopf macht es klick.

In ihrem Kopf toben Fantasien.

Er muss husten.

Sie zuckt zusammen und zieht ihr Tempo an.

Er möchte ihr so gerne sagen, dass er auch einfach nur nach Hause will.

Sie möchte so gerne nach Hause.

Er wechselt die Straßenseite.

Sie denkt darüber nach, wo er hin ist.

Er fühlt sich schlecht für nichts was er getan hat.

Sie bemerkt, wie er auf der anderen Straßenseite hinter den Autos läuft.

Er bleibt stehen.

Sie atmet schnell.

Er wartet.

Sie atmet durch.

Am Ende der Nacht lagen sie beide in ihrem Bett und schliefen tief und fest.

Ob er noch etwas zu Essen gefunden hat? Ich weiß es nicht.

Aber warum diese Spannung und Qualen in jener dunklen Nacht?

Sie wollten beide nach Hause und hatten Angst vor dem, was sie niemals zu erleben hofften.

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