top of page

/ 12 / Eine Pizza Party mit Opa

  • Autorenbild: Malte
    Malte
  • 12. Dez. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Alternativer Märchenkalender


Opa und ich stehen in der Küche und wollen Pizza backen. Jetzt, wo die Weihnachtsferien begonnen haben, kündigten sich plötzlich sämtliche Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins, Geschwister und Großeltern, Freunde und Gefährten für einen Besuch an. Heute Abend werden ganz schön viele Menschen an unserem Esstisch sitzen. Manche kenne ich ganz gut, vor allem die Kinder in meinem Alter. Und manche Tanten habe ich vielleicht mal bei einer Geburtstagsfeier oder Hochzeit gesehen, aber daran erinnere ich mich nicht mehr so genau. Mein Opa ist jedenfalls ganz vorfreudig und hat gestern schon den Pizzateig vorbereitet. Der ist jetzt groß und weich und fluffig. Also der Teig, nicht mein Opa.


"Damals mit meinen Kumpels bin ich nach dem Bolzen oft schnell nach Hause gerannt, das war nur einen Block weiter, und dann kam ich zurück mit einem ganzen Blech leckerer Pizza. Aber jetzt pass auf. Du musst mir versprechen, dass du schweigst wie ein Fisch. Die Pizza hatte ich gar nicht selber gebacken, wie alle meine Freunde glaubten. Ich stand gar nicht den vorherigen Abend in der Küche und habe Teig geknetet, nein. Das war alles meine Mutter, deine Uroma. Die hat sich immer grinsend in die Küche verzogen, als ich ihr erzählt habe, dass ich morgen wieder mit meinen Kumpels auf dem Bolzplatz bin. Und am nächsten Nachmittag, als ich dann verschwitzt nach Hause gerannt kam, stand stets ein Blech voll mit duftender, warmer Pizza bereit. Aber verlier mir bloß kein Sterbenswörtchen darüber. Irgendwann habe ich dann nicht nur auf dem Platz geschwitzt, sondern auch wenn ich mit Fragen zu meiner unglaublichen Pizza durchbohrt wurde. Und da habe ich beschlossen, dass ich ihnen erstens niemals die Wahrheit erzählen würde und zweitens so schnell es geht lernen muss, wie man eine gute Pizza macht. Natürlich konnte hat meine Mutter mich da unterstützt und hat geduldig zugeschaut, als ich den Teig geknetet, ausgebreitet und belegt habe. Wieder und wieder. In diesen Wochen haben wir fast jeden Tag Pizza gegessen, dass Vater es schon satt hatte. Ach, meine Mutter war eine so wunderbare Frau. Ich wünschte, du hättest sie kennengelernt. Ihr hättet euch gut verstanden." Ich sitze still am kleinen Küchentisch, lausche Opas Geschichte und schaue ihm zu, wie seine Handballen sich immer wieder in den Teig schieben und er dann mit Fingern, die er vorher in Olivenöl tunkte, gleichmäßig und liebevoll alles auf dem Backblech verteilt. Mit einem kleinen Wink gibt er mir zu verstehen, dass ich jetzt die Tomatensauce aus dem großen Topf auf den Teig verteilen kann. Wie nach einem Startschuss auf der Laufbahn hüpfe ich auf und bin sofort an seiner Seite und mache mit der Suppenkelle immer wieder kleine Kleckse auf dem Teig. "Weißt du, damals sind wir nach Italien gefahren. Alle zusammen. Mutter, Vater, meine Schwestern und Ich. Zu dritt auf der Rückbank des Autos war es ganz schön kuschelig, aber ich glaube ich habe fast die ganze Fahrt geschlafen. Jedenfalls erzählten mir das meine Schwestern so. In Italien wohnten wir in einem riesigen steinernen Gebäude mit einem noch viel größeren Garten voller Obstbäume und Tomatensträucher. Das Grundstück gehörte Freunden meiner Eltern, die sie von damals kannten, wenn ich mich recht erinnere. Jedenfalls durften wir dabei sein, wie die Tomaten in Dosen gefüllt wurden. Und wie viele Dosen das waren, das kannst du dir gar nicht vorstellen. So viele mehr, als du in dem riesigen Supermarkt hier in der Konservenabteilung finden kannst. Aber bevor die Tomaten in die Dosen kamen, mussten sie erstmal zerstämpft werden. Heutzutage gibt es da sicher Maschinen für, die das in Sekunden auf Knopfdruck machen. Aber damals mussten wir uns gründlich die Füße waschen und dann haben die Älteren uns Kinder in Holzwannen voller Tomaten gehoben und wir haben gestampft und getrampelt, was das Zeug hielt. So lange, bis unsere Beine aussahen wie ein kandierter Apfel. Ich kann dir sagen, das waren die besten Tomaten, die ich jemals gegessen habe. Wobei ich mir ab und zu schon gedacht habe, wie meine Füße daran beteiligt waren." Ein Film von Tomatensauce glänzt auf dem Pizzateig und duftet schon verlockend. Jetzt fehlt nur noch der Käse. Für Opas Pizza kommt natürlich kein fertiger Pizzakäse aus der Packung in Frage, nein. Opa hat extra zwei Käse aus dem Käseladen in der Innenstadt geholt. Gerade verteile ich den handgeriebenen Käse auf der Pizza.


"Alles Käse, alles Quark. Schon lustig, dass wir so viel Quatsch über unsere Milchprodukte reden. Dabei steckt da ganz schön viel hinter. Sehr viel Kultur. Und ich meine nicht nur Bakterienkulturen. Wenn du mal durch Frankreich reist, dann wirst du alle paar Kilometer ganz andere Geschichten über Käse zu hören bekommen. Also meistens auf Französisch, also pass gut auf in der Schule, wenn du die Geschichten verstehen willst, d'accord? Die Geschichte vom Käse fängt schon an beim Frühstück der Kuh an. Welche Gräser und Pflanzen sie isst und dass sie bloß gut behandelt wird. Nicht so wie die Kühe in den ganzen... ach, jetzt gerade ist mir nicht nach dem Thema. Jedenfalls hat jede Region ihr eigenes Käsegeheimnis und erst bei einem Traubensaft, einer Käseplatte mit Brot und einem langen und herzlichen Gespräch lassen sich einem manchen diese Geheimnisse herauskitzeln. Oft sind die regionalen Traditionen viele hunderte, wenn nicht sogar tausend Jahre alt. Und der Geschmack von dem Käse ändert sich auch mit der Jahreszeit, was erneute Besuche umso spannender macht. Hach, wenn ich nur an den Camembert denke, erst frisch und dann nochmal gebacken, dann läuft mir gleich das Wasser im Mund zusammen. Aber wir haben ja auch gleich was zu futtern." Mit Ofenhandschuhen schiebe ich das große Blech in den heißen Ofen. Nicht mehr lang, dann können alle ein Stück von Opas legendärer Pizza probieren. Im Esszimmer ist schon ganz schön was los. Der Salat wurde schon serviert. Menschen trinken und unterhalten sich freudig. Und als ich dann die Ehre habe, die dampfende Pizza in das Esszimmer zu bringen, werde ich mit 'Oooooh's und 'Aaaaaaaah's empfangen. Schnell schneidet Opa die Pizza in Stücke und verteilt sie auf den Tellern. "Was freut es mich, dass ihr alle da seid. Wisst ihr, damals in der Uckermark hatte meine Tante ein kleines Haus. Und als wir da mal Menschen eingeladen haben, da... Ach, ich erzähl's ein anderes Mal. Jetzt wird gegessen!"

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
The tale of the blank pages

Every story needs a place to begin. A story about an empty book can be hard to explain. If the pages were empty, there would be no story...

 
 
 
Ein politischer Text

Mein Shampoo verspricht mir, dass mein Haar nach der Wäsche „bis zu 100% Schuppenfrei“ sei. Bis zu 100%? Also wäre da alles drin? 23%,...

 
 
 
My hair is an addict

In der Dusche meines AirBnbs in Kristiansand, Südnorwegen, begegnete ich einer Shampooflasche auf der unter dem Logo des Herstellers...

 
 
 

Comments


bottom of page