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My hair is an addict

  • Autorenbild: Malte
    Malte
  • 27. Juli 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Juli 2024

In der Dusche meines AirBnbs in Kristiansand, Südnorwegen, begegnete ich einer Shampooflasche auf der unter dem Logo des Herstellers “Great hair starts with great products” stand und ich frage mich immer noch, wie die Menschheit an diesem Punkt angekommen ist.


Vorab: Ich bin jemand, der sein Shampoo spontan am Regal nach Geruch, Verpackung und Farbe aussucht. Und damit falle ich schonmal auf einige der Werbemaschen rein und möchte das auch gar nicht bestreiten. Umweltfreundlich, recyclebar oder sogar festes Shampoo ohne Flasche finde ich super.

Hafermilch in meinem Haarpflegeprodukt? Mega! Auch wenn ich nicht weiß, was sie darin macht, aber ich mag Hafermilch nun mal.

Und den Geruch von Meersalz im Haar finde ich ebenfalls sehr angenehm.


Doch nun zu der eigentlichen Problematik: Warum versprechen uns die Shampoohersteller immer Lösungen für Probleme, die eben sie uns einreden? Von denen wir vielleicht noch gar nichts wussten, bevor wir in der Haarpflegeabteilung des Supermarkts standen?

‘Für kaputtes Haar’, ‘Für sehr fettiges Haar’, ‘Für deine echt hässliche Frisur’ oder ‘Hilft gegen Schuppen, Milben, Wespennester, Vogelbrutstätten, Eichenprozessionsspinner und Klebeband in deinem Haar’.


Erstens: Hört auf mich zu duzen. Wir kennen uns nicht. Und das soll gerne so bleiben.


Zweitens: Warum reden Shampooflaschen uns immer ein, dass wir das Produkt brauchen, weil wir zu kaputt, fettig oder dünn sind? Das erinnert mich an toxische, manipulative Beziehungen, in denen die eine Partnerperson auf die andere einredet, dass ihre Haare ja schon ziemlich nicht so ganz toll aussehen, wie als sie sich kennengelernt haben und damit eine ordentliche Prise an Unsicherheit sät.

Aber es gibt ja eine Lösung! Alles kein Problem! Weil die Partnerperson wird ja trotzdem geliebt… also zumindest meistens und vielleicht eher, wenn sie sich etwas mehr Mühe gibt mit den Haaren. So kann sie nach einer Haarkur mit Shampoo, Conditioner, Wachs und Haaröl jeden Morgen doch noch ein Kompliment und ein paar liebe Worte verdienen und die Welt ist wieder heile.


Drittens: Nichts da mit heile Welt! Kein Friede, Freude, Eierlikör-3 in 1-Duschgel! Ich persönlich kenne viele Menschen, die sich von der Haarpflegeszene distanziert haben und stattdessen entweder ganz haushaltliche Mittel wie Öl oder Mehl benutzen oder eben gar kein Shampoo.

Weil unser Körper und Haar braucht diese Produkte nicht. Der Mensch hat ein ganz natürliches System über das Fett der Kopfhaut die Haare mit einem Schutzfilm zu umgeben. Natürlich können und sollten wir sie waschen, nach allem was an Rauch, Gartenerde, saurem Regen, Pollen und Ostseemöwendaunenfedern so hängenbleibt, aber unser Kopf und Haar kommt generell schon klar.


Viertens: Shampoo kann echt wie eine Droge wirken. Also vom Suchteffekt, weil ich glaube die Wirkung abseits des Geruchs und lustigem Schaum beim Duschen hält sich eher im Bereich von Placebos. Und ich will gar nicht mal abstreiten, dass es spezielle Shampoos gibt die Menschen helfen, deren Kopfhaut sehr viel Fett oder zu wenig davon produziert. Oder Anti-Kopflaus Shampoo kann auch ein Segen sein für alle Eltern von Kindergarten- und Grundschulkindern.

Aber dafür, dass Shampoo und ausnutzt, manipuliert, runter und süchtig macht, könnte Mensch sich doch wenigstens erhoffen, von dieser Droge auch ein wenig berauscht zu sein.

Stattdessen zerstören Shampoo, Conditioner und jedes weitere Produkt einer immer länger werdenden Reihe an neuen Idee der Hersteller immer mehr die natürlichen Ressourcen des Körpers und zwingen uns fast schon dazu, sie weiter zu nutzen, indem sie die Probleme versprechen zu beheben, die sie selbst kreieren.


Fünftens: Ich glaube das große Problem ist der kapitalistische Schneeball, den die Haarpflegeproduktfirmen sich zusammengerollt haben. Sie sehen, wie sehr die Leute ihre Produkte nutzen und den Marketingmärchen glauben. Sie merken, dass sie einfach ein neues Problem erfinden können und dann eine neue Heilerdekur oder Steinsalz-Haarmaske oder Jojoba-Bernstein-Salbe für den geschädigten Haaransatz auf den Markt bringen können.


Und die Menschen werden es kaufen, wenn die Werbung ihnen sagt, sie sollen es glauben.

Because great hair starts with great product.

Und alle, die nicht unsere 6-Schritt Haar-Wellness-Kur kaufen, die haben halt keine tollen, gesunden Haare.

„Tja, wir haben die Regeln nicht gemacht.“, sagen die Firmen.

„Doch, habt ihr.“, sage ich. „Und dafür soll euch eine Ostseemöwe auf euer schönes Haupt kacken.“

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