/ 4 / Der Jahreszeitenwald
- Malte
- 4. Dez. 2023
- 3 Min. Lesezeit
Alternativer Märchenkalender
Es war mal ein Wald. Wie gesagt, war. Er wurde abgeholzt und plattgemacht, um Platz für eine Mall zu schaffen.
Die Tiere des Waldes mussten fliehen und sich ein neues Zuhause suchen. Pech gehabt, sagten die Menschen. Also gingen die Tiere tripp trapp entlang des vergifteten Flusslaufs, bis sie an einen riesigen Wald kamen, der so schön farbenfroh war, als hätten die Chemikalien am Abfluss des Industriegeländes wieder richtig gekickt. Naja, jedenfalls mega nicer Wald mit Futter und Höhlen und Bäumen. Alle happy, bis auf das bleibende Trauma. Wie die Tiere so durch den Wald liefen merkten sie, dass sich die Temperatur, die Farben der Blätter und der Vibe generell halt ändern. Erst war alles noch am sprießen und wachsen, ab der nächsten Lichtung aber schon voll in Blütezeit und mega warm. Ein bisschen weiter den Weg entlang wurden die Blätter dann schon braun und es wurde windiger. Ganz hinten im Wald sahen die Tiere schon den Schnee und machten kehrt. Zuerst liefen sie tripp trapp wieder zu dem Frühlingswald zurück. "Ich fühls richtig." schnatterte die Ente, als sie im Wasser planschte. "Mega." stimmte der Specht zu, während er an der Baumrinde pickte. "DIE GRILLSAISON IST ERÖFFNET!" riefen drei Schweinchen und warfen marinierten Spargel auf den Grill. "Yoooo Leute, Lust auf eine Spritztour?" grölte die Schildkröte von ihrer Yacht inmitten des Sees den Anderen zu. Und so verbrachten die Tiere eine Woche richtig sweeten Frühling, bis ihnen dann langweilig wurde und die Frühlingsluft ab und zu noch etwas zu frisch war. So zogen sie tripp trapp weiter in den Sommerwald. Die Frösche kutschierten ihre Freunde die paar hundert Meter mit ihren Caprios. "Unnormal." quietschte der Waran, als er die grell leuchtenden Früchte sah, zog seine Kettensäge heraus und fällte einen Orangenbaum, um die leckeren Zitrusfrüchte zu snacken. "Hier lass ich's mir gut gehen, Leute." ließ der Pelikan hören, trank seine Zisch Bio-Limo leer und warf die Flasche in die Büsche, weil in einem Wald keine Pfandautomaten stehen. "WHUIIIIIIII!" kreischte die Norwegische Waldkatze, als sie mit einem Fallschirm aus dem Privatflugzeug 2000 Meter über dem Wald sprang und auf ihren Füßen zwischen ihren Freunden landete. Und so verbrachten die Tiere eine Woche richtig heißen Sommer, bis sie alle Kopfschmerzen von der Hitze hatten und niemand hatte Ibuprofen in der Hosentasche, weil Tiere keine Hosen tragen. So gingen sie tripp trapp weiter in den Herbstwald. Eine kühle Briese wehte ihnen über die Nasenspitzen und was auch immer Insekten anstatt einer Nase haben. "Herbst ist voll underrated." meinte der Fuchs. "Voll relaxend, so mit Kürbis schnitzen und Lichtern und so." muhte die Kuh und reichte die Zigarette weiter. "I mach's uns moi richtig gmütlich und heimelig do." sagte der bayerische Maulwurf, holte seinen Laubbläser aus dem Maulwurfshügel und blies unter großem Getöse die Herbstblätter von der Lichtung. Und so verbrachten die Tiere eine Woche richtig schmusigen Herbst, bis sie alle die Nase voll hatten von dem bayerischen Maulwurf und seinem lauten Laubbläser. So marschierten sie tripp trapp weiter in den Winterwald. Der Schnee rieselte, Eiszapfen hingen an Bäumen und die Bächlein waren verfroren. "Nee, gar nicht meins" grummelte die Hummel. "Ich spüre die Winterdepression schon kommen" jammerte der Feuerkäfer. "Wo ich jetzt so den direkten Vergleich mit den anderen Jahreszeiten habe, finde ich den Winter schon echt kacke" pflichtete der Eisvogel bei. Und so kehrten sie wieder einmal um. Tripp trapp ging es zurück zum Frühlingswald. Doch dort war der See ganz verölt, schmutzig-braun und stank. Tripp trapp ging es also in den Sommerwald. Der war zu trocken und brannte. Schade. Tripp trapp spazierten die Tiere also in den Herbstwald. Da war immer noch der bayerische Maulwurf und auf den hatten die Tiere immer noch keinen Bock. Schließlich landeten sie wieder im Winterwald und bauten sich mit Ach und Krach ihre Unterschlüpfe. "Gar nicht cozy" beschwerte sich der Flamingo. "Meine Augen trocknen aus, hat jemand Augentropfen?" fragten der Lemur verzweifelt in die Runde. "Zzzzzzzz" machte der Bär, der schon tief in seinen Winterschlafsträumen war. Träume von einer schönen Welt ohne Malls und mit ganz viel Honig. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann... Na, sie werden schon früher oder später gestorben sein.
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