Der Tatort
- Malte
- 1. Jan. 2020
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Dez. 2020
Es war ein mürrischer Tag und die Sonne verzog sich heute früher denn je aus den Gassen dieses dreckigen Viertels. Inspektorin Joanne Teak presste sich gegen die schwere Holztür einer Eckkneipe, die nur ächzend ihrem durchaus kräftigen Körper nachgab und Einlass in die verrauchte Stube bot. In ihren bestimmten Fußstapfen, die teils noch den Schlamm der Straße mit sich zogen, was den Boden aber auch nicht dreckiger machte, folgten William Burberry, der Fotograf, ein kleiner gedrungener Mann der leise seiner Arbeit nachging und nur selten das Wort erhob, und Mick Ellis, der durch seine breiten Schultern und aufrechten, steifen Gang sehr autoritär und präsent wirkte, aber doch stets fleißig den Anweisungen seiner Vorgesetzten folgte. Joanne blickte ihm kurz in seine eisgrauen Augen. Starrer, fokussierter Blick, der nach seinen Jahren in der Marine sehr natürlich wirkte. Er war ein guter Mann, etwas zu ruppig, so fand sie, aber seit er sie vor einigen Jahren aus einer heiklen Straßenschlacht gezogen hat, wusste Joanne, dass sie immer auf ihn vertrauen konnte. Die drei schritten unbeirrt in den großen Raum der, so schien es, nur aus einem monumentalen Tresen aus einem dunklen Holz bestand und an zahllosen Flecken von Kerzenwachs, Bier und Zigarettenasche zerfurcht war, sodass durch das gedämpfte Licht der mickrigen Hängelampen kaum noch eine echte Oberfläche zu erkennen war. Auch wenn die Fenster den kläglichen Versuch wagten dieses Loch zu erhellen, blockierten dicke, tiefrotgraustaubige Vorhänge den Zugang für Sonnenstrahlen, die sich aus unerfindlichen Gründen in diese Gegend verirrten. Viele Banden und Kleinkriminelle hatten diesen Ort schon verdammt, zurückgelassen und hinterließen nur den abgründigsten Schmutz der Londoner Unterwelt. Seelenlose Kreaturen, bei denen Mord ein alltägliches Geschäft war und beim Smalltalk während des ersten Pints bei der Mittagspause in eben jenen Eckkneipen wie dieser besprochen wurde. Ein deutliches Räuspern ließ Joanne aus ihren Gedanken hochschrecken. Der Barmann und gleichzeitiger Besitzer trommelte ungeduldig mit den Fingern seiner rechten Hand auf dem Tresen und schien unbeeindruckt, sogar fast genervt, von der Leiche, die zusammengesackt auf dem Hocker gegenüber von ihm saß. Der kopflose Körper lag wie sonst die Trunkenbolde tief in den Tresen gelehnt, eine Hand immer noch fest am halb vollen Bierkrug und schlummerte vor sich hin. Von seinem Hals aus verlief ein Fluss aus Blut durch die vielen Brandflecken und Kuhlen des Holzes und bahnte sich seinen Weg. Einige Schritt weiter tropfte immer noch zähes Blut auf einen der einst olivgrünen Barhocker und fand schließlich Stillstand in einer etwa handgroßen Blutlache auf dem Boden, wo es sich munter unter den Schlamm, Zigarettenstummel und Rattenhaare mischte. Mit der linken Hand deutete der Barmann auf ein Metzgerbeil, welches neben der Leiche das Altholz zerberstet hatte und nun in dem bisschen Licht blutrot und mattsilbern glänzte. William schlich sich umsichtig vorbei an den kleinen Blutspritzern, die ihren Weg durch die Stube gefunden hatten und machte Aufnahmen von dem so feierlich präsentierten Mordwerkzeug. Joanne fuhr sich mit ihren dünnen, erkalteten Fingerspitzen durch ihre langen aschblonden Haare und seufzte. An Tagen fühlte sie sich immer weniger so, als würde es um die Aufklärung von Fällen gehen, sondern es schien viel mehr, als ob sie sich einfach nur um das Wegschaffen der mörderischen Hinterlassenschaften kümmerte. Oder manchmal was eben an Leichenteilen noch auffindbar war. Fast wünschte sie sich “normale” Fälle zurück. Schießereien zwischen verfeindeten Gangs, Drogenhandel, Autodiebstahl, Schmuggel. Aber es packte sie immer ein innerer Dämon, der ihren müden Körper in dieses Slum zurück schliff. Schließlich war es ihre Heimat und auch wenn sie nur glimmerte wie die verrauchte Asche in dieser Kneipe, die Hoffnung auf Besserung saß tief in ihrem Herzen.
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