/ 8 / Was ein kleiner Igel träumt

Alternativer Märchenkalender

Es war einmal ein kleiner Igel, der schlief nach einem langen Tag im Wald ein und fing an zu träumen... Er saß vor einem Häufchen Laub, welches wuchs und wuchs. Es wurde zu einem Stapel, zu einem Hügel, zu einem Berg und schließlich war das Laub zu einem ganzen Gebirge herangewachsen. Mit einem Knarzen sprossen kleine Äste aus dem Laubgebirge hervor und schoben sich langsam in Richtung von dem kleinen Igel, um ihn dann behutsam hoch gen Himmel zu heben. Hinter den Wolken breiteten Wolpertinger ihre Flügel aus und ihre Geweihe thronten imposant vor der leuchten Kulisse. Die Sonnenstrahlen spielten eine Lichtshow, verwoben sich, flammten auf und wurden ganz ganz kurz und spitz, bis sie eine Hülle an Spitzen um den flammenden Ball in der Mitte des Systems bildeten. Der glühende Stern am Himmel drehte sich immer schneller mit seinem Panzer aus Plasmastrahlen, bis er sich mit einem galaktischen Funkenregen als exorbitanter, kosmischer Igel entfaltete, der das kleine Igelchen auf dem Plateau aus herbstblattfarbenen Baumbewuchs direkt anschaute. Der Sonnenigel öffnete die Schnauze und es entstand ein Sog, welcher zuerst all das Laub in einer Windhose in Richtung des Himmels zog, als nächstes kleine Stöcke und Äste und dann schwebte der kleine Igel auch schon in diesem Tunnel aus Nestbaumaterial der Sonne entgegen. Abseits der Erdatmosphäre schwebten die Blätter wie in Zeitlupe durch den Raum. Als hätte wäre gerade ein Sturm vorbeigefegt und jemand hätte genau bei der stärksten Böe die Zeit angehalten. Der Sonnenigel hob eine Pfote und empfang den kleinen Erdigel behutsam, bevor sich im Bauch der Sonne, da wo bei Igeln sonst flauschiges Fell ist, eine Öffnung offenbarte. Der Sonnenigel legte seine Pfote langsam auf den Bauch, sodass der Erdigel mit einem kleinen Sprung zu dem Eingang der Höhle gelangen konnte. Mit einem hallenden Schnüffeln und Grunzen, welches wie hunderte Glockenschläge von den Klangkörpern der Planeten amplifiziert wurde, segnete das numiose Wesen des Pantheons der Tiere den Erdigel und schickte ihn auf seine Reise. Die unwirklich heißen, aber nicht wahrnehmbaren Plasmablasen auf dem Boden liefen zu Linien, Mustern und alsbald rechteckigen, tiefrot glühenden Steinen zusammen, welche den Weg immer tiefer hinab in das innere der Sonne pflasterten. Ein Schatten schlug über die grellen Oberflächen, verschluckte den Tunnel und den einsamen, tapferen Wanderer, welcher unbeirrt fort schritt.

Der Kern des Sonnensystems war warm. Es war dunkel und die Wände entglitten und boten Raum für ein Gefühl der unendlichen Weite. Es roch so bekannt, so heimisch. Der Igel schnupperte wild und folgte dem Geruch kreuz und quer, statt der zuvor marschierten geraden Linie. Ob es ihn weiter weiter in das innere oder wieder hinaus führte, war nicht zu bestimmen - in dieser Dimension existierte weder Raum noch Zeit in den Wegen, die der Igel kannte, aber sein Kopf war so oder so bei ganz anderen Begehren. Dieser Geruch war so bekannt, so nah. So laubig, so haufig, wie ein... Laubhaufen! Mit einem schummrigen Licht aus unbestimmbarer Quelle beleuchtet, lag dort ein rostbrauner Laubhaufen, gespickt mit feuerkäferroten und glühwürmchengelben Akzenten. So warm und so voller Heimat. Schnell schlüpfte der Igel unter die feuchtwarme Decke und ließ sich von den Blättern streicheln, bevor er sich einrollte und einschlief.