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Das Gold in deinen Augen

  • Autorenbild: Malte
    Malte
  • 1. Jan. 2020
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 24. Jan. 2020

Gekonnt schwang sie das Sieb mit ruckigen Bewegungen aus den Handgelenken hin und her und spähte in dem schwindenden Haufen aus schlammigen Sand nach Steinen, die in der prall strahlenden Mittagssonne glänzten und strahlten. Ihre Finger zogen Bahnen durch die Kiesel und vermutend rieb sie den Dreck von einigen zwischen Daumen und Zeigefinger hinfort, um sie dann ohne große Enttäuschung neben sich zu schnipsen. Mit großem Sonnenhut geschützt vor gnadenloser Hitze kniete sie am Rush River und reihte sich in eine Generation an Glück und Reichtum suchenden Menschen ein, die anstatt im Casino die Automaten zu füttern ihre Zeit ebenso aussichtslos in den Fluss der verlorenen Träume warfen.

Aber Sonia war nicht an dem Gold interessiert. Sie wollte verstehen warum diese Menschen ihre Zukunft in dem angeschwemmten körnigen Sand des Wassers suchten. Sie erinnerte sich an die paar donnernden, jauchzenden Freudenschreie von Fündigen. Dann an den leicht neidischen und sehnenden Beifall der Suchenden.

Nur wenige Wochen später sah sie die zerschlissenen, sonnengegerbten Gesichter dieser Menschen wieder. Keine Spur mehr von der Euphorie des Goldes. Mit jedem passierte es. Immer. Und immer wieder. Diese Leute waren gefangen in dem Begehren nach Erfolg, Anerkennung. Sie suchten nicht nach Gold zwischen den Steinen, sie suchten nach einem Sinn in ihrem Leben.

Auch Sonia suchte etwas. Wobei sie nicht genau wusste was dies wohl war. Aber tief innen verspürte sie ein Kribbeln, eine Ahnung was wohl eines Tages in ihrem Sieb hängen bliebe. Und sie wusste nicht, dass es sich gerade zu diesem Augenblick mit einer Ecke in einem der Löcher ihres Werkzeuges verfing. Gewohnt lässig schob sie den Sand rhythmisch durch die kleinen Öffnungen und strich mit den Fingern über die Oberflächen der kleinen Brocken. Sie stockte. Ihr Ringfinger blieb nahe des Randes hängen. Aber es gab keine Steine, keinen Sand, der ihn blockierte. Sonia durchlief ein leichtes Zittern. Es lief zärtlich von den Zehenspitzen über die Waden in den Bauch, wo es explodierte und wie ein Feuerwerk schoss es durch ihre Arme und in ihren Kopf. Das Sieb platsche laut im seichten Ufergewässer auf, was niemanden um Sonia rum groß störte. Langsam öffnete sie ihre geballte Faust und es offenbare sich ein Stein. Es war... ein Stein wie jeder andere. So grau und langweilig, wie die Millionen von anderen Kieseln, die täglich hier ignoriert und raunend verworfen wurden. Aber in Sonias Händen waren alle sein Spitzen und Kanten samt wie Seide. In ihren Augen leuchtete er Gold wie ein Tanz aus Sternen am Himmel. Und ihre Augen leuchteten und tanzen mit ihm. Sie schrie, rannte, sprang über Felsen und Äste, rollte sich durch Wiesen und grinste jeden Vogel unter dem Horizont breiter an als je zuvor. Ohne eine Idee zu haben, was durch sie gefahren war, verspürte sie die Lust am Leben. Kein Berg war zu hoch, nein. Die Wolken waren fast schon zu niedrig und es fiel ihr fast leicht sie zu greifen. Bei all dieser Energie nahm sie sich dennoch immer Momente inne zu halten und ihren Stein anzuschauen, ihn genauestens zu studieren. Ihre goldenen Augen tasteten immer wieder neue Stellen seiner Textur ab und gaben neugierig Befehle an ihre zarten Finger, diese genauer zu studieren. Sie wusste nicht was sie gesucht hat. Und ehrlich gesagt wusste Sonia auch nicht, was sie da gefunden hat. Aber sie war sich sicher, dass sie es gefunden hat.

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