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Das Navløset

  • Autorenbild: Malte
    Malte
  • 20. Nov. 2020
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. März

Es war einmal ein… ja, was war es eigentlich? Nennen wir es Navløset.

Navløset lebte ganz oben auf einem Berg in einer Höhle. Höher als alle Wolken, durch die die Bergspitze stieß.

An Tagen, an denen sich keine Wolken am Bergkamm fingen, konnte Navløset ganz weit und tief in das Tal schauen. Da es so scharfe Augen hatte, machte es sich einen Spaß daraus, all die Gestalten, die sich dort unten tummelten, zu beobachten.

Und stets fragte sich Navløset wie es selbst wohl aussehe und zu welcher Gruppe es gehöre. Denn ihr müsst wissen, hier oben auf dem Berg gab es keine Pfützen in denen es das Ebenbild sehen könnte. Die Regenwolken lagen ja viel viel tiefer den Berg hinab. Glitzernde und reflektierende Steine waren auch nirgendwo aufzufinden und ihr könnt euch denken, dass Navløset in seiner Höhle ganz bestimmt keinen Spiegel hatte.

Als der Mond in einer Nacht ganz hell am Himmel schien, breit und grell, da machte Navløset sich es auf einem Felsen gemütlich und schaute in die Ferne. Da erblickte es einige Gestalten, die am Waldrand wanderten, und es dachte sich:

“Oi. Die haben aber lange knollige Nasen. Solch knollige Nasen habe ich ja noch nie gesehen. Und wie sie nießen und sie blasen. Wie sieht wohl die meine aus? Bin ich wohl einer von denen?

Diese Keulen, die sie schwingen mit so viel Kraft. Ob sie damit spielen oder was man sonst damit macht?

Vielleicht prügeln sie die Äpfel von den Bäumen. Wie gern wäre ich dabei, wenn auch nur eine Nacht.”


Dann zogen die Trolle in den Wald und verschwanden aus dem Blickfeld von Navløset. Es seufzte und legte sich in sein kleines warmes Erdloch und schlief ein.

In der Nacht träumte es davon, dass es eine ganz dicke und knollige Nase hatte und immer wenn der Frühlingswind daran kitzelte musste Navløset ganz arg nießen.

Das fanden die anderen Trolle ganz witzig und lachten herzlich, dass sie grunzten und ihre Nasen wackelten. Danach zeigten sie Navløset wie sie die Äpfel vom Baum prügelten.

Navløset versuchte es und schwang die Keule so stark es konnte und sie wummerte gegen den Baumstamm dass es nur so krachte. Alle Vögel flogen panisch davon und die Äpfel regneten herab, als gäbe es ein Obstgewitter. Doch als sie den Boden berührten platzten sie auf wie kleine Blasen und verschwanden. Navløset wachte auf, ganz erschrocken, schaute sich um und war ganz allein. Wo gehörte es nur hin?


An einem Tag im Sommer strahlte die Sonne ganz hell am Himmel und alle grauen Gewitterwolken der vorigen sieben Tage waren verschwunden und verpufft. Was für ein unglaublich schöner Blick sich Navløset da bot. Es setzte sich an einen Vorsprung und schaute ins Tal.

Da erblickte es eine Gestalt, die über eine Blumenwiese tanzte, und es dachte sich:

“Oi. Wie dieses Wesen die Blumen liebt. Und die Blumen lieben sie gleichwohl zurück.

Würde ich so lieben, dann würde ich mit ihnen tanzen. Ich wäre am sprudeln vor Glück.

Mit ihren Flügeln so flattern, das könnte ich auch. Also hätte ich Flügel, wenn ich sie brauch.

Vielleicht bin ich wie sie und sie ist wie ich. Ach, wäre das schön. Wunderschön, ganz genau.”

Dann flog die Fee davon und verschwand in einem Sonnenblumenfeld zwischen den riesigen Pflanzen. Navløset seufzte und setzte sich in seine Stube und schaute in den blauen Himmel.

Da träumte es davon, dass es ganz seidene Flügel hatte und damit grazil über bunte Wiesen schwebte und immer wenn eine Blume Navløset besonders gefiel, dann sagte Navløset ihr das auch.

Das fand die andere Fee so liebevoll, dass sie Navløset ganz arg umarmte und sich der Liebe und des Lebens erfreute. Danach zeigte sie Navløset die Bienen und wie sie den Nektar von den Blumen holten und sie zu ihrem Bienennest zurückbrachten. Und meinte man es ganz freundlich mit ihnen, so ließen sie einem einen Tropfen von dem herrlich süßen Honig probieren. Navløset folge der Fee und den Bienen zu einem prächtigen Bienennest und dort tropfte schon der Honig aus den überfüllten Waben. Die beiden konnten sich kaum zurückhalten und streckten sich danach, um sich die süße, klebrige Masse einzuverleiben. Doch als Navløset den Honig schmecken wollte, schmeckte es stattdessen nur Erde und Kiesel.

Navløset wachte auf, ganz verdrossen, schaute sich um und lag auf dem Boden im Dreck. Wo gehörte es nur hin?

Im Winter, nachdem es mindestens drei Wochen geschneit hatte erblickte Navløset das schneeweiße Tal. Also machte es sich zwischen ein paar warmen Brocken gemütlich und schielte hinab.

Da sah es ein paar Wesen, die die Felswand eben dieses Berges hochstiegen, und es dachte sich:

“Oi. Wer seid denn ihr? So stämmig und doch so flink. Kommt ihr etwa zu mir? Au bange, dass ihr mich bloß nicht verschlingt.

Wobei ihr nicht ausseht wie Monster, fürchterliche Gestalten oder Gefahren. Ihr wirkt so froh und nett, ach komm ich wink’.

Ihr seht ja aus. Hörner auf einem, zwei mit struppigen Schwanz, drei sind ganz fleckig und viere groß, fünfe klitzeklein.

Oh, ihr kommt ja zu mir. Was soll ich sagen, was kann ich tun? Es ist nicht viel Platz, aber kommt doch bitte herein.”

Und so kamen die Wesen auf der Bergspitze und bei der Höhle von Navløset an. Sie schauten Navløset verwundert an und es schaute ebenso verwundert zurück. All diese Gestalten ähnelten sich kein bisschen. Sie waren alle gar grundauf verschieden. Aber es war klar zu erkennen, dass sie alle ein wichtiger Teil der Gruppe waren. Die großen und starken Wesen trugen das Gepäck mit dem Proviant. Die kleinen Wesen waren flink und kletterten schnell die Wände empor um ein paar Bergfeigen zu erhaschen, die sie mit allen teilten. Die grimmigen Wesen verscheuchten mit einem lauten Grummeln die hungrigen Tiere, die sich anpirschten. Plötzlich wusste Navløset wo es hingehörte.

Und so schloss es sich der Bande an und spähte mit seinem scharfen Blick weit weit in Richtung Horizont, wo die Reise denn hingehen wird.

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