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Die Mittagspause

  • Autorenbild: Malte
    Malte
  • 29. Jan. 2020
  • 3 Min. Lesezeit

Regen flutete wütend die fahlen Straßen und schwemmte die lungernden Taugenichtse, die unter dreckigem fluchen ihre Glimmstängel auf den nassen Asphalt schnipsten, zurück hinein in ihre Klubs und Kneipen, in denen ihre wertlose Lebenszeit am Boden von überfüllten Aschenbechern und ungespülten Bierkrügen versiffte.

Durch diesen nassen Asphalt schoben sich gezielten Schrittes ein paar feste, mattschwarze Lederstiefel. Sie marschierten ohne Umweg durch Pfützen in denen sich kleine spitze Kieselsteine sich der dicken Sohle unterwarfen und verkanteten. Schritte später zog das rechte Bein über eine verglimmende Zigarette hinweg. Ein winziger Kieselsplitter schnitt präzise wie der Skalpell während einer Autopsie die äußere Haut entlang und entblößte den Inhalt. Der billige Tabak warf sich sofort beim erblicken der Welt in die nächste Wasserlache und sein braunes Antlitz ertrank in dem ebenso braunen Schlamm. Ein wahrer Einblick in den Zyklus des Schmutzes, der dieses gewollt vergessene Viertel so prägte.

Von all dem bekam Joanne Teak, deren Stiefel repulsiv über die Straßen zogen, natürlich nichts mit. Sie begann gerade ihre Mittagspause, verließ vor wenigen Minuten die Polizeistation und bahnte sich nun ihren Weg zu der kleinen Lichtung der Hoffnung auf ein wohlsames Mittagessen. Die meisten Imbisse inmitten des Slums waren so heruntergekommen, dass es meist mit bloßem Auge kaum zu erkennen war, ob sie betrieben wurden oder ob eine Gang Jugendlicher sich dort ein paar Ratten über dem Feuer briet - Und selbst dann war es noch unklar wo das Essen schlechter schmeckte.

Ganz am Ende der Hauptstraße jedoch liegt diese eine unscheinbare Bude, auf die Joanne unbeirrt zusteuert. Es ist ein kleiner vietnamesischer Imbiss namens “Khuong Kitchen”, in dem Namensgeber und Besitzer Khuong unter anderem Curry, Ente, Pho und Sommerrollen anbot und entgegen vieler anderer Geschäfte in dieser Gegend von den zahlreichen Straßengangs geschätzt wurde.

Joanne hob zum Gruße still ihre Hand und zog sich dabei die Mütze vom Kopf, die gestopft in ihrer Manteltasche verschwand. “Pho?”, grüßte Khuong sie. Sein breites Grinsen in seinem vernarbten Gesicht war unverkenntlich. Viele kleine Brandwunden von Fettspritzern zieren seine ledige Haut wie Sommersprossen. “Buchstabensuppe.”, antwortete Joanne trocken. Ein Codewort. Sie wollte Gerüchte, Fakten und Hinweise. Und die Nudelsuppe natürlich auch, wie sie sie immer bestellte. Mit viel Koriander und Rindfleisch. Scharfe Chilis, saure Zitronen, heiße Fakten. Sie schob die kleine Klappe an der Seite des vergilbt silbernen Tresens auf und verschwand in dem winzigen Hinterraum, der gerade einmal einen Tisch, zwei Stühle und ein spärliches Regal fasste, welches schon bei dem leichtesten Anblick seine Existenz aufgeben wollte. Sie schob sich auf einen der klapprigen Stühle, verschränkte ihre Beine und nahm nach einigem rücken und adjustieren in der am wenigsten unbequemen Position platz. Khuong war nicht nur der beste Koch, ein guter Freund, sondern auch der Mittelpunkt aller Geschichten, die durch die Straßen des Districts und alle Kanäle darunter zogen. Er kaufte sich Schutz mit Informationen und die Gangster draußen hatten sowohl viel Respekt vor seinen objektiven Diensten, als auch Angst, dass er ihre lächerlichen Fehlschläge als auch ihr privates Business in den Straßen verbreitete.

Doch Joanne war nicht hinter diesen kleinen Fischen und ihren hochnäsigen, gescheiterten Raids von Freudenhäusern her, welche ein offenes Geheimnis und die aktuell größte Lachnummer da draußen waren. Sie wollte die Haie, nicht die Forellen. Sie stand mit Harpune gewappnet an der Reling , doch ihr Freund Khuong hatte die Karte. “Lass uns reden”, betonte sie mit dem Stapel an Geldscheinen, den sie über die versplitterte Holzplatte schob, als er mit einer großen Schüssel Suppe dem Raum betrat. “Haha. Das werden wir, meine Kleine” , zog das Bündel ergiebig zu sich, griff mit der anderen Hand in Richtung Regal und kramte in der hintersten Ecke des zweithöchsten Brettes etwas herum. Mit hochgezogenen Augenbrauen und verschmitztem Zähne blecken signalisierte er Joanne, dass er etwas großes für sie parat hatte. Er warf einen Stapel erstaunlich frischer, kaum verstaubter Polaroids auf den Tisch. Joanne, die gerade noch so cool und ruhig war, durchfuhr nun ein Zittern und durch ihren offenen Mund atmete sie tief und schwer. "Ja,... lass uns reden.", röchelte sie.

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