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Internsive Gespräche

  • Autorenbild: Malte
    Malte
  • 1. Jan. 2020
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 5. Jan. 2020

Zufrieden kehre ich von der Toilette zurück und schwinge mich elegant wieder auf meinen Drehstuhl im Büro. Eleganz war jedenfalls das angezielte Ergebnis, aber leider rotiere ich mit ordentlichem Tempo und krache mit meinem Knie gegen das Tischbein.

“Autsch.”, denke ich. “Ja echt, autsch.”, meint mein Knie. “Du kannst deinen Frust ruhig rauslassen. Ich kann auch brüllen.”, schmollt mein Mund.

“Aber das muss doch niemand hören. Das wäre mir echt peinlich. Und außerdem funktioniert denken doch mindestens genauso gut”, argumentiere ich zurück, wobei ich mir insgeheim eingestehen muss, dass ich schon echt leise und zurückhaltend bin. Vielleicht probiere ich laut sein irgendwann mal aus.

“GENAU! ECHT PEINLICH!”, kreischt mein Schamgefühl dazwischen. “Denken? Wenn du mir mal etwas Energie geben würdest, dann können wir da gerne zu einer Vereinbarung kommen”, wirft mir mein Gehirn vor - “Mach doch das Fenster mal auf, damit ich Luft bekomme. Oder lies mal was anständiges, da würde ich mich auch freuen.”.

Jetzt meldet sich auch mein Magen: “Oder iss was. Junge, hier siehts aus wie hinter der Grenze des Weltraums oder bei Mad Max. Wasteland. Nichts. Was hast du denn heute gegessen?”.

Ich stottere: “Ääh… Weiß ich nicht, habe ich vergessen.”

“Acht Uhr und vierunddreißig Minuten. Ein halbes belegtes Brötchen und zwei Schluck Tee.”, besserwissert mein Gewissen. “Und jetzt haben wir es sechzehn Uhr und neunundzwanzig Minuten. Keine Mahlzeiten seitdem notiert.”.

“Ach, wer hat dich denn gefragt? Halt dich da raus!”, brause ich zurück und mein Gewissen vergisst sich wieder.

Grumpelig ziehen sich meine Lippen nach unten und meine Arme verschränken sich.

“Malte, wir müssen jetzt echt mal reden.”, sagt mein Gehirn besorgt. “So kann das doch nicht weiter gehen.”.

Immer noch beleidigt fauche ich zurück: “Jetzt lasst mich mal nur EINEN Moment in Ruhe. Mein Knie tut echt weh und dass ihr auf mir rumhackt kann ich gerade überhaupt nicht gebrauchen.”. “Jetzt komm… So sehr tut dein Knie nicht weh. Das wird wahrscheinlich nicht mal ein blauer Fleck.”, antwortet mein Gehirn. “Ich habe das Nervensystem persönlich gefragt.”.

“NERVENSYSTEM?”, brülle ich in mich hinein (Sieh mal einer an. Ich kann auch laut werden). “Warum verpetzt du mich? Du hast doch sonst Immer meinen Rücken gedeckt!”.

Leise und verkauert flüstert das Nervensystem zurück: “‘Tschuldigung…”.

“Hör mir mal genau zu Malte.”, spricht mich mein Gehirn direkt an. “Wir sind immer für dich da und auch wenn du manchmal ein Idiot bist, lieben wir dich trotzdem. Nur bitte pass auch ein wenig auf uns auf. Okay?”

“Ja… tut mir leid.”, entschuldige ich mich, immer noch leicht niedergeschlagen.

“Und hier ist noch etwas zur Aufmunterung.”, wirft mein Gehirn nach. “Eine frische, lustige neue Geschichte. Schick sie doch an Maren, die wird sich bestimmt freuen. Aber vielleicht sagst du ihr erstmal nicht, dass nicht du, sondern ich der kreative Kopf bin. Ich habe deine eigenen Gedichte ja mal gelesen und mir sind vor Lachen fast die Hirnlappen verrutscht.”.

“Autsch.”, sage ich. “Das tat weh”.

Eine Kollegin von gegenüber schaut mich schräg an.

Ich werde rot und verkrieche mich hinter meinem Bildschirm, öffne das Mailprogramm und schicke Maren die Geschichte, die mein Gehirn mir gegeben hat.

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