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Warum Bäume und Hunde anschauen uns glücklich macht

  • Autorenbild: Malte
    Malte
  • 9. Feb. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich innerhalb von 5 Minuten in der nächsten halbwegs gut sortierten Buchhandlung einen Ratgeber mit diesem Titel aus dem Regal fischen könnte. Auf dem Titel wäre dann ein Hund, der mit weit offenem Maul und lechzender Zunge fast schon aus dem Cover springt. Im Hintergrund ein wilder Park oder Wald. Viel Laub auf dem Boden, weil der Herbst nochmal extra viele Emotionen auslöst. Und dann neben dem Hund, etwas kleiner und weiter weg, ein lachender Mann. Es könnte natürlich auch eine Frau sein. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass auf dem Cover des Buches, welches ich aus dem Regal der Buchhandlung zwei Straßen entfernt von meiner Wohnung gefischt habe, ein Mann abgebildet ist und keine Frau. Nicht weil ich das möchte. Nicht weil irgendjemand das möchte oder danach gefragt hätte. Sondern weil das seit Jahrhunderten so ist und sich seit Jahrhunderten sehr viele Menschen nicht gefragt haben, warum auf dem Cover von meinem (noch nicht gefundenen, gekauften oder bezahlen) Hunderatgeber ein Mann drauf ist. Wahrscheinlich haben sich die Menschen vor allem erstmal viele Jahrhunderte lang gefragt, was ein Hunderatgeber überhaupt ist. Aber das tut auch gar nichts zu Sache. Worüber ich eigentlich reden möchte ist, dass es mir echt nicht gut geht. Bitte nicht aufhören zuzuhören. Keine Sorge. Diese Geschichte ist kein Tagebucheintrag und auch keine emotionale Mülldeponie, in die ich dich bis zum letzten Satz einsperre. Dass es mir nicht gut geht, das ist nur der Kontext für das was kommt. Eines Montagmorgens merke ich also, dass es mir nicht gut geht. Ich denke nach, wieso. Mir fällt nichts ein. Leider fallen mir auch keine guten Gründe ein, warum ich nicht unglücklich sein sollte. Es ist jetzt nicht so, als ob ich jeden Tag mit meinen Emotionen Verhandlungen führen würde und ihre Angebote begutachte, um zu sehen wie es mir denn heute geht, aber ich kann auch nicht direkt sagen, dass es nicht so ist. An diesem Montagmorgen stehe ich auf, nachdem ich drei Stunden im Bett über das Aufstehen nachgedacht habe und allein meine Blase mich zwingt, doch mal meinen Hintern hoch ins Bad zu bekommen. Die Grundunzufriedenheit mit der Gesamtsituation lässt sich auch beim Duschen nicht abwaschen. Irgendetwas liegt in der Luft. Stickig und verstaubt. Klamm und heimlich. Düster und verzogen. Wie eine Regenwolke, die mich den ganzen Tag verfolgt und vollregnet, obwohl ich am Horizont doch blauen Himmel und Sonne sehen kann. Mit diesem Gefühl gehe ich am Abend ins Bett. Mit diesem Gefühl kann ich kaum schlafen. Mit diesem Gefühl wache ich um 5 Uhr auf, wälze mich und habe Alpträume, durch die ich alle zwei Stunden aufwache. Schon am Dienstag Mittag habe ich dieses Gefühl satt. Mein Zimmer scheint zu schrumpfen und ich möchte überall sein, nur nicht hier. Auf in den Park! In meiner Vorstellung ein Ort, der meinen Kopf auf magische Art frei macht von all der Last. An dem ich nachdenken kann und dann auch mal nicht nachdenken darf. Mit jedem Schritt durch den knirschenden Schnee und das Laub Gedanken über Beziehungen, das Leben, Arbeit, Leidenschaften, Vergangenheit, Trauma, Ungerechtigkeiten, Ideen und Glück. Und mit jeder Weggabelung durch den Pfad der Bäume ein Thema weniger, bis ich bald an nichts mehr denke. Und dann sind sie da. Vergnügt herumtollend: Hunde. Plus Menschen, die diese Hunde glücklich anschauen. Zu diesen Menschen gehöre ich. Dabei sage ich immer, dass ich ein Katzenmensch bin. Dabei sage ich immer, dass ich Schubladendenken nicht mag. Dabei sage ich immer… Vielleicht sollte ich mal mit solchen allgemeinen Statements aufhören. Diese Hunde machen mich in diesem Moment sehr glücklich.

Ihre Art, wie sie ihren eigenen Schwanz jagen, mit den Pfoten spaßig durch den Schnee schlittern oder mit offenem Maul weit weit in die Ferne oder in die Büsche starren. Es ist unerklärlich. Und wir Menschen stehen drum herum, schauen die Hunde an, schauen uns gegenseitig an, lächeln und gehen weiter unseren Weg durch die Bäume. Cool. Hunde. Mensch. Wusste ich gar nicht, dass mich das so bewegt. Als ich wieder aus dem Park meinen Weg nach Hause antrete merke ich, dass ich nicht mehr über meine Probleme nachdenke, sondern über Hunde und Bäume.

Die Welt fühlt sich für einen Augenblock so leicht und unbeschwert an. Ich schwebe über den Gehweg, erfreue mich am Wetter, an der frischen Luft, an den Blumen in den Beeten und Graffitis an den Hauswänden. Außerdem komme ich an meinem geliebten Buchladen um die Ecke vorbei und beschließe, einen kleinen Blick hineinzuwerfen, Hallo zu sagen und vielleicht die Kisten mit Second Hand Büchern zu durchstöbern. Tatsächlich finde ich auch einen norwegischen Roman für gerade mal 3€. Während ich an der Kasse stehe und warte, wandert mein Blick abwesend in das Bücherregal rechts von mir. Da steht ein Buch. Duh. Natürlich steht da ein Buch. Viele sogar. Aber dieses eine Buch betitelt „Hunde und Menschen: Warum wir nicht ohne einander können“. Es schaut mich direkt an, das Buch. Auf dem Cover sind ein Hund und eine Frau, die glücklich kuscheln. Ich erstarre. Da ist ja wirklich eine Frau auf dem Cover des Hunderatgebers. Meine ganze Argumentation mit den Beschwerden gegen das Patriarchat basierend auf der Vorstellung des Coverdesigns von Hunderatgebern fällt zusammen. Wahrscheinlich war mein Ansatz ganz falsch und auf dem Cover sind keine Männer, die mit Hunden kuscheln, weil Männer ja keine Emotionen zeigen sollen. Ich mag sowieso keine Hunde. Und Schubladendenken auch nicht. Ach mist. Naja, jedenfalls ist das Patriarchat trotzdem doof.

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